© Ingrid Benning 2024
GOETHE / STEINER
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) arbeitete vor über 200
Jahren mehr als 30 Jahre lang an seinen Naturwissenschaftlichen
Schriften und der Farbenlehre. Letztere hielt er für ein weitaus
größeres Werk als all seine dichterischen Arbeiten.
1889 wurde in Weimar ein Goethe Archiv gegründet. Rudolf Steiner
(1861-1925) wurde eingeladen als Mitglied einer Gruppe von
Naturwissenschaftlichen Forschern an der enormen Aufgabe
mitzuwirken, die hinterlassenen Werke Goethes in dem so-
genannten Sophien-Goethe-Archiv zu klassifizieren. Steiner hatte
schon seit 1883 mit Professor J. Kürschner an der Herausgabe von
Goethes naturwissenschaftlichen Schriften. Deshalb war ihm klar, dass
deren Inhalt eine Debatte anstoßen könnte, welche die festgefahrenen
wissenschaftlichen Forschungs-Methoden des damaligen Zeitalters
lockern würde. Er hoffte, dass dadurch eine Kultur-Erneuerung im
Goetheschen Geiste entstehen würde.
Leider konnte dies nicht verwirklicht werden, denn die meisten
Forscher im Goethe Archiv arbeiteten wie normale Verleger: es
genügte ihnen verlässliche Texte herauszufiltern, fehlerhafte Lesarten
zu klären und Varianten zu klassifizieren. Steiners Intention war viel
tiefgreifender, denn er wollte mit seinen Kommentaren auf Goethes
Weltanschauung als ein Ganzes hinweisen. Sie waren ausführlich und
enthielten viele Texte und Erklärungen polemischer Art gegen
überlieferte Theorien, die veraltet und wissenschaftlich umstritten
waren. Deshalb beschreibt er seine Prinzipien und Sinnzwischen der
Kommentare zu Goethes Schriften im Archiv wie folgt: „Dadurch sollte
sich ergeben, wie das umfassende und geistig in die Dinge
Eindringende des Goetheschen Forschens und Denkens zu
Einzelentdeckungen auf den besonderen Naturgebieten
gekommen ist.“
Steiner wollte Goethes Erkenntnisse über den Ursprung
geisteswissenschaftlicher Fakten anhand evolutionärer Strukturen,
nicht nur in der Natur, sondern auch in Menschen, begreiflich machen.
Er hatte erkannt, dass Goethe in seinen naturwissenschaftlichen
Schriften eine Tatsache klar machen wollte, die man damals nicht, und
auch heute noch nicht vollends anerkennen will: nämlich die Tatsache,
dass ein Mensch nur die Strukturen in der Natur erkennen wird, die
unentwirrbar verbunden sind mit den Strukturen, aus denen sich sein
eigenes Gemüt, seine Gedanken, Konzepte und seine geistigen Werte
zusammensetzen.
1973 wurde das Buch „Das Wesen der Farben“ in Dornach/Schweiz
von der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung herausgebracht mit einem
Vorwort von Marie Steiner zur ersten Ausgabe von 1929. Es enthält
zwölf Vorträge aus Steiners Vortragswerk von 1914 bis 1924 über
verschiedene Aspekte von Farben, Malerei, Licht und den
Regenbogen.
1979 erschienen drei Bände der Farbenlehre im Verlag Freies
Geistesleben, Stuttgart. (Deren Grundlage bilden die Bände 3 und 4
der von R. Steiner eingeleiteten Naturwissenschaftlichen Schriften, die
als Bände 35 und 36 der Werke Goethes im Rahmen der
„Deutschen National-Litteratur“ zwischen 1883 und 1897 von Joseph
Kürschner herausgegeben wurden.) Die Herausgeber, Gerhard Ott
und Heinrich O. Proskauer, haben aufschlussreiche Vorworte und
Einleitungen vorangestellt mit hilfreichen Schriften von Rudolf Steiner
als Orientierung zu „Goethe als Denker und Forscher“ bezüglich
der „rein rechnerischen-quantitativen Forschungseinstellung der
modernen Wissenschaft“.
Anhang